Ironman Frankfurt 2016

Der längste Tag des Jahres – so wird der IRONMAN European Championships in Frankfurt auch genannt. Unsere Triathleten Rolf Basse, Christoph Bauer und Lars Schneider haben die Wecker auf halb vier gestellt und sich nach kurzem Frühstück um halb sechs Uhr morgens am Langener Waldsee eingefunden, zusammen mit etwa 3000 anderen Ironmännern und -frauen und solchen, die es wie Lars am 4. Juli werden wollten. Die am Vortag am See eingecheckten Zeitfahrmaschinen wurden für die 180km mit Wettkampfnahrung präpariert und durchgesehen – damit waren dann die Rennvorbereitungen, die eigentlich schon im Oktober 2015 begonnen haben, endgültig abgeschlossen.

Die vielen Monate des täglichen Trainings haben bei den Jungs Spuren hinterlassen. Sie waren nicht nur sichtbar fit und motiviert bis in die Haarspitzen, bei Lars und Christoph waren auch die Knie von den hohen Belastungen angeschlagen, bei beiden war nicht wirklich klar ob sie den abschließenden Marathon werden durchziehen können und welche Auswirkungen der dadurch in den letzten Wochen entstandene Trainingsausfall haben würde. Das Eisenmänner Nerven aus Stahl brauchen bekam Lars zu spüren: Bis 5 Tage vor dem Event war es fraglich ob sein gehegtes und gepflegtes Wettkampfrad überhaupt einsatzbereit sein würde. Nur beim unzerstörbaren Rolf verlief die gesamte Vorbereitung fast reibungslos.

Der sogenannte „Rolling Start“ ab 6:40 Uhr hat die drei Burschen dann von ihrem Lampenfieber befreit. Jaaa – endlich den Beweis bringen, dass die ganze Trainiererei auch was gebracht hat. In kleinen Gruppen von 12 Startern alle 5 Sekunden wurden die 3000 am Strand wartenden Athleten in den See entlassen. Die vielen Zuschauer mussten somit auf den üblichen spektakulären Massenstart verzichten, für die Athleten ist dieses neue Startverfahren aber wesentlich angenehmer. Nettozeitnahme macht’s möglich. Bei dem kurzen Landgang nach 1,5 km konnte man sich kurz orientieren wie man zeitlich im Rennen liegt bei der insgesamt 3,8 km langen Auftaktdisziplin bei der auf Grund der Wassertemperaturen ein Neoprenanzug getragen werden konnte. Die Routiniers Rolf und Christoph machten Ihre Sache sehr gut. Beide stiegen nach hervorragenden 62 Minuten aus dem See. Lars, der seine Stärken eher beim Radfahren und Laufen hat, konnte den Lohn für die harte Trainingsarbeit der letzten Monaten im Schwimmen einfahren und hatte nach für ihn hervorragenden 76 Minuten wieder Boden unter den Füssen. Damit war das maximal Mögliche erreicht.

Die zweite Disziplin verlief dann für keinen der drei Bühlertäler reibungslos. Am wenigsten Stress hatte Lars, der „nur“ einen platten Reifen zu beklagen hatte, der aber von einer zufällig am Unfallort platzierten Aid Station in 5 Minuten repariert werden konnte. Dementsprechend gut im Zeitplan erreichte er nach 5:33h das Rad-Ziel. Mehr Zeit musste Rolf liegen lassen, da sich bei Ihm nach einer Kopfsteinpflaster-Passage der Getränkehalter nebst Ersatzschläuchen und Werkzeug gelöst hat. Die improvisierte Reparatur nahm etwa 10 Minuten in Anspruch. Für ihn blieb die Uhr nach 5:42h für das Zeitfahren stehen. Den Vogel hat aber Christoph abgeschossen: Er hatte 4 platte Reifen zu beklagen, schlimmer kann’s fast nicht mehr kommen. Im Wettkampfstress dauerten die Reparaturen, bei denen er auch Hilfe vom mobilen Aid Service bekam, etwa 45 Minuten. Eine mögliche Endzeit von etwas über 10 Stunden war damit völlig unerreichbar geworden. Christoph bewies in dieser katastrophalen Situation aber echten Iron-Kampfgeist und gab das Rennen noch nicht verloren. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch setzte er das Rennen fort und hangelte sich nach 6 Stunden 23 Minuten bis in die zweite Wechselzone. Die 180 km und 1000 Höhenmeter im Frankfurter Umland hatten es also in sich. Neben ordentlichem Wind setzte in der letzten Stunde auch noch Regen ein, was den Straßenbelag nicht gerade sicherer gemacht hat.

Die Knie der Nation zu sagen wäre sicher übertrieben, aber in der dritten Disziplin ging das Bangen um Christophs und Lars Knochen los. Der zuschauerfreundliche Marathon am Mainufer gilt als relativ einfach zu laufen, die vier Runden a 10,5km lassen eine optimale Betreuung der Athleten zu. Nach ein paar eirigen Anfangskilometern kamen unsere drei Jungs gut ins Laufen und relativ schnell wurde klar, das bei beiden Patienten die Knie schmerzfrei blieben. Jawoll – damit war schon mal die größte Unsicherheit ausgeräumt.

Egal wie gut oder schlecht man trainiert ist, nach etwa 20km trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Muskeln fangen an zu krampfen und zu schmerzen, die Ermüdung schlägt voll durch, man will einfach nur noch stehen bleiben und ausruhen. Hier kann jetzt jeder zu seinem persönlichen Held werden und mit eisernem Wille das Ding zu Ende laufen oder in den Sack hauen – die Versuchung ist groß.

Die drei Jungs dachten nicht daran. Rolf und Lars sahen zwar auf der zweiten Hälfte alles andere als taufrisch aus und mussten tempomäßig Federn lassen – besonders Lars quälte sich mit starken Fußschmerzen über den Kurs. Trotzdem rannten beide unbeirrt Richtung Ziel. Das Phänomen Christoph braucht offenbar kein regelmäßiges Lauftraining. Er sah immer besser aus und lief unglaublicherweise den schnellsten Marathon der drei und bog nach 11 Stunden 19 Minuten auf den Zielkanal am Römer ein wo er das Ziel wenige Sekunden später erreichte. Lars tat es ihm nach insgesamt 11 Stunden 33 Minuten gleich – sein erstes Ironman Finish war geschafft – „you are an Ironman“ tönte es aus den Lautsprechern. Rolf holte sich den Lohn für die 226 km Plackerei – die 300 m Zielteppich umringt von ein paar tausend Zuschauern – wenig später, er brauchte 11 Stunden 46 Minuten.

Der längste Tag ging gut für alle aus, alle waren einfach mehr als glücklich diese Wahnsinnsstrecke bewältigt zu haben. Jeder hat irgendwo Zeit liegen lassen und Pech gehabt. Aber unglückliche Gesichter konnte ich nicht ausmachen. Und wie ich die drei verrückten Langstreckler kenne, lecken sie kurz ihre Wunden und schmieden schon wieder neue Pläne. Es gibt sicherlich irgendwo noch einen härteren Wettbewerb.

Text und Bilder: Manuel Kollorz