Um einen der heiß begehrten Startplätze bei der Challenge Roth zu ergattern, braucht es bei der Anmeldung entweder ein ausgeklügeltes System, tief gehende IT Kenntnisse oder eine Riesenportion Glück. Eins davon hatte unser Neuzugang Michael Merkel. Nach Eröffnung des Anmeldeportals war das Rennen mit 3500 Einzelstartplätzen und 650 Staffeln in weniger als 3 Minuten (!!!) ausverkauft. Entsprechend groß war Michaels Freude im Oktober letzten Jahres das es geklappt hat, besonders da er in den vergangenen Jahren bereits mehrfach einen Startplatz wieder absagen musste.
Leider hat er bei den Trainingsvorbereitung etwas weniger Glück. Eine hartnäckige Wadenverletzung hat eine kontinuierliche Trainingsarbeit vermasselt, immer wieder wurde er durch Zwangspausen zurückgeworfen. Wenige Wochen vor dem Rennen stand dann fest, dass die Form für ein Finish reichen wird aber wohl nicht für die angepeilte Zeit von 10-11 Stunden. Die Ungewissheit über das eigene Vermögen und ein substantielles Problem mit dem Wettkampfrad, das Vereinskollege Arek und das Schrauber Team von Radsport Fuhr kurzfristig noch retten konnten, brachte die Nervosität in den letzten Tagen vor dem Start schon leicht in den roten Bereich. Aber gelassen ist kurz vor dem Start niemand mehr, egal wie viele Rennerfahrung man in den Beinen hat.
Am 3. Juli um 7:45 Uhr fiel dann jegliche Nervosität von Michael ab und er stürzte sich mit 300 anderen Athleten seiner Startgruppe auf die 3,8 km lange Schwimmstrecke im Kanal bei Hilpoltstein. Die Pendelstrecke mit zwei Wendepunkten konnte wie immer im Neooprenanzug in Angriff genommen werden. Mit der Schwimmzeit von 1h 19 war der Iffezheimer dann nicht ganz zufrieden, ließ sich aber auch nicht demotivieren. Ein wenige Wochen vor dem Start absolviertes Trainingslager mit dem Schwerpunkt Radfahren gab Michael für die nächste Disziplin die nötige Routine um gut über den schnellen 180 km langen Kurs zu kommen. Auf der ersten Hälfte konnte er sein Vorhaben auch umsetzen, hinten raus musste er seinem Anfangstempo, aber vor allem der großen Hitze um die 30° etwas Tribut zollen. Beinkrämpfe zwangen ihn immer öfter dazu, Tempo rauszunehmen, so dass er nach 5h 52 ziemlich entkräftet in Roth vom Rad stieg und in die Laufschuhe wechselte. Die angeschlagenen Beine machten es ihm dann nicht gerade einfach in seiner stärksten Disziplin seine eigentliche Klasse zu zeigen. Schon früh suchten ihn auch beim Lauf über die 42 km Krämpfe heim so dass er schon ab den ersten Kilometern zwischendurch kurze Gehpausen einlegen musste. Aber hier konnte Michael zeigen, dass er den wichtigsten „Muskel“ eines Triathleten allerbestens präpariert hatte: den Kopf. Mit seinem eisernen Willen kämpfte er sich durch die schwierigen Situationen die man auf der Marathon Distanz erlebt. Krämpfe, völlige Entkräftung, weiter steigende Temperaturen und Dehydration konnten ihm auch nach Stunden der Leistung am Limit nicht von seinem Ziel abbringen so dass er nach 4h 50 ins Stadion in Roth einlief und seinen Traum vom Challenge Roth Finish in 12 Stunden und 12 Minuten verwirklichen konnte.
Über diese Leistung kann Michael wirklich glücklich und stolz sein. Als Zuschauer konnte ich miterleben, wie die Hitze nicht nur einen Athleten nach dem anderen zerlegt hat. Selbst die 250.000 Triathlon Fans an der Strecke flohen vor der Sonneneinstrahlung und nutzten jedes Fleckchen Schatten das zu finden war. Das bei allen drei Disziplinen auf den Straßen trotzdem so viel Begeisterung zu finden war lag wohl an der zweijährigen Durststrecke durch Corona. Man konnte den Athleten ansehen, dass sie wirklich darauf gebrannt hatten, sich bei einem Rennen unter Normalbedingungen bis an die Grenzen zu verausgaben. Das hat sich natürlich auf die Zuschauer übertragen die die Begeisterung durch frenetisches Anfeuern an die Athleten zurückgaben und einem das Aufgeben entsprechend schwer gemacht haben. Die bekannten Hotspots wie zum Beispiel der Solarer Berg schäumten regelrecht über. In nicht wenigen Gesichtern der Triathleten konnte man die Fassungslosigkeit über so eine extrem enthusiastische Begeisterung sehen. Das sind die Momente, die man als Triathlet nie wieder vergisst. Und auch solche, die einem klar werden lassen, das Athleten und Zuschauer sind, wie Suppe und Salz. Das hat einfach gefehlt.
Text/Bilder: Manuel Kollorz